in: junge Welt vom 25.02.2020Das Gespräch erschien in der Wochenendbeilage der "jungen Welt" unter der Überschrift »Merkel sagte kein einziges Mal ›Auschwitz‹ oder ›IG Farben‹«. Das ist ein Bezug auf die Rede, die die Bundeskanzlerin im April 2016 in Leuna zum 100. Jahrestag des Beginns des Baus der Leuna-Werke gehalten hat und mit der sich Jakob Hartenstein in Band 2 der Romantrilogie auseinandersetzt. Das Gespräch, das kurz vor dem Erscheinen des 3. Bandes stattfand, gab mir auch die Möglichkeit, ausführlich über die Entstehung des Romanprojekts zu reden.

Adolphi 2020: Gespräch mit Arnold Schölzel in der Tageszeitung "junge Welt" über "Hartenstein"

Aus: Ausgabe vom 25.01.2020, Seite 1 (Beilage) / Wochenendbeilage

»Merkel sagte kein einziges Mal ›Auschwitz‹ oder ›IG Farben‹«

Gespräch mit Wolfram Adolphi. Über seine Romantrilogie »Hartenstein«, Ursachen der Rechtsentwicklung, die IG Farben und ihr Konzentrationslager Auschwitz-Monowitz

Interview: Arnold Schölzel

Demnächst erscheint der dritte Band Ihres Romans »Hartenstein«. Der Name steht für eine Familie und deren Geschichte im 20. Jahrhundert. Band eins trägt den Untertitel »Der Balte vom Werk«. Darin und auch im folgenden Band geht es immer wieder um Hermann Hartenstein, Großvater des Erzählers Jakob, der autobiographische Züge trägt, also Ihre. Hermann Hartenstein lebte von 1902 bis 1982. Er war Freikorpskämpfer gegen die Bolschewiki, wurde Maschinenbauingenieur, war leitender Angestellter der – wie es im Roman heißt – großen Chemie I. G., also der IG Farben. In dieser Eigenschaft arbeitete er auch auf der Baustelle des Chemiewerkes Auschwitz-Monowitz, zu dem ein spezielles KZ gehörte. Nach 1945 arbeitete er unter und mit der Sowjetmacht an der Wiederingangsetzung das Chemiewerkes Leupau, das der Leser als Leuna identifiziert. Schließlich lehrte er als hochangesehener Professor für Verfahrenstechnik in der Stadt, die bei Ihnen nur Kreisstadt heißt, aber als Merseburg zu erkennen ist.

2014 wurde dort eine Straße nach Günther Adolphi, Ihrem Großvater, dem Hermann Hartenstein nachgestaltet ist, benannt. Es gab Proteste wegen seiner Rolle im Faschismus, im August 2019 wurde die Straße erneut umbenannt.

War diese Debatte für Sie Anlass, den Roman zu schreiben?

Nein. Ich hatte mir schon lange vorher die Frage gestellt, warum meine Familie eine DDR-Familie geworden ist. Dass daraus ein Buch werden könnte, beschloss ich im Flugzeug von Shanghai nach Frankfurt am Main im Dezember 2011. Bis dahin hatte ich drei China-Romane geschrieben, jetzt war ich mit einer kleinen Delegation der Partei Die Linke in der Volksrepublik, und auf dem Rückflug dachte ich: Du schließt mit China als Romangegenstand ab und widmest dich dieser Frage. Dein Großvater kam aus dem Baltikum, war bei der IG Farben – wobei seine Tätigkeit in Auschwitz mir damals nur unterschwellig bewusst war – und entschied sich 1945 in Leuna nach zweieinhalb Monaten US-Besatzung nicht wie viele andere, mit den Amerikanern in den Westen zu gehen, sondern zu bleiben, d. h.: bei den Sowjets. Das war am 2. Juli 1945. Dem wollte ich auf die Spur kommen.

Es dauerte eine Weile, bis ich mir die verstreut vorhandenen Aufzeichnungen und Briefe angesehen hatte. Und dann kam 2013 die Nachricht: In Merseburg soll eine Straße nach deinem Großvater benannt werden. Zufall und zugleich kein Zufall – es lag offenbar in der Luft, sich mit dem Thema zu befassen.

Im dritten Band wird es nun jedenfalls das Kapitel »Der Abriss« geben: Dort beschließen die Stadtverordneten, der nach Hermann Hartenstein benannten Straße wieder einen anderen Namen zu geben. Dem Erzähler Jakob ist klar, dass damit auch die Debatte um den Namensgeber verschwindet. Es bleibt bei einer Momentaufnahme: Hätte es die Würdigung Hartensteins nicht gegeben, hätte die Debatte nicht stattgefunden.

Diese Überlegung hängt mit einem Grundstrang des dritten Bandes zusammen: Die Realität überholt Jakobs Erkundungen. Genauer: Als er mit ihnen beginnt, gibt es noch keine AfD, aber nun ist sie da und stark. Das ist für ihn ein Anlass, noch gründlicher die Vergangenheit zu erforschen. Dabei geht es ihm nicht vordergründig um die AfD, sondern um die Frage: Was geschieht gerade mit der Gesellschaft insgesamt? Warum gibt es diesen Rechtsruck, diesen neuerlichen Nationalismus, nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und der Welt? Hinzu kommt: Er schreibt an einem Ort, in dem sich die Auseinandersetzung um diese Frage stadtpolitisch zuspitzt. Wir sitzen hier in Potsdam in einem Gebäude, neben dem gerade eine Kopie des Turms der Garnisonkirche wiedererrichtet wird. Dort gab es am 21. März 1933 den Handschlag zwischen Hindenburg und Hitler.

Der Roman einer Familie und damit einer Gesellschaft wie bei den »Buddenbrooks« von Thomas Mann? Schließt sich angesichts von AfD und all dem der Kreis?

Ursprünglich sollte die Geschichte in einem Band abgehandelt sein. Im allerletzten Moment habe ich dann zum Verleger Philipp Dyck vom Nora-Verlag gesagt: Schreib »Band eins« drauf. Denn Jakob erfährt von der Auseinandersetzung um die Namensgebung, fährt hin und erklärt: Ich habe kein Interesse an dieser Straße, aber ein Interesse an den vielen bisher verschwiegenen Vorgängen und Zusammenhängen. Und darum geht es in den Bänden zwei und drei. Jakob landet irgendwann ganz zwangsläufig im Jahre 1990 und dem Problem, dass die Einheit Deutschlands eben nicht durch Vereinigung, sondern durch Anschluss der DDR hergestellt worden ist.

Damit wurde u. a. die Chance für eine neue Verfassung vertan. Die wurde abgelehnt, weil angeblich alles ganz schnell gehen musste – und wegen der »Macht der Straße«. Da es aber keine Verfassungsdebatte gab, gab es auch keine über die Geschichtserzählungen beider Seiten. Die waren aber hier wie dort systemkonfliktabhängig, will sagen: je einseitig und daher dringend korrekturbedürftig. Zu einer Vereinigung hätte gehört, beide zu prüfen und zu einer neuen Erzählung zu gelangen.

Dabei wäre auch eine bedeutsame Gemeinsamkeit zutage getreten: Das Jahr 1933 wurde nicht bis zu Ende verarbeitet. Auf der linken Seite galt und gilt: Wir hätten gemeinsam den Faschismus verhindern können. Aber hätte eine Regierung mit SPD und KPD ein Umdenken bei der IG Farben bewirkt? So in der Art: Lieber Adolf Hitler, du hast uns zwar den Festpreis für Benzin aus Kohle versprochen, unsere ganze Konzernstrategie bauen wir darauf auf – und das haben sie nachweislich getan –, aber mit dieser Regierung aus SPD und KPD lassen wir das selbstverständlich sausen?

Es gab eine beachtliche Zustimmung für SPD und KPD noch im Herbst 1932. Aber wie waren die tatsächlichen Kräfteverhältnisse insgesamt? Hitler ist aus einem demokratischen System gekommen mit beachtlichem Wahlerfolg und fundamentaler Unterstützung durch die Wirtschaft. Ein wiedervereinigtes Deutschland hat die Aufgabe, sich dieser Vorgänge klarzuwerden.

Nehmen wir hier, am Ort der Garnisonkirche, den 21. März 1933, den »Tag von Potsdam«. In Potsdam sagen einem die Befürworter des Kopiebaus: Man soll das nicht so ernst sehen. Oder fragen: Hat es den Handschlag zwischen Hindenburg und Hitler überhaupt gegeben? Und: Die Steine sind doch unschuldig. Aber auf Bildern ist zu sehen, dass Zehntausende dichtgedrängt zwischen Nikolaikirche und Garnisonkirche standen. Goebbels schildert in seinem Tagebuch, dass sie eine Stunde für den Weg von der Nikolaikirche benötigten, um sich durch die begeisterte Menge zu drängen.

Wir hören heute Sätze wie: »Wer ordentlich lernt, wird den Populismus durchschauen.« Ich halte davon nichts. Da wird so getan, als ob all jene, die früher Faschisten gewählt haben, mindestens bekloppt oder sogar irgendwelche Monster waren. Auf diese Weise werden sie von uns abgetrennt, wir fühlen uns sicher, müssen einfach nur »ordentlich lernen«. Ich schreibe einen Roman, in dem die beiden Großväter Jakobs ihr ganzes Wissen und ihre Klugheit in den Dienst des faschistischen Deutschland stellen. Der eine als herausragender Maschinenbauer und Verfahrenstechniker und der andere als ein kulturell hochgebildeter Deutschlehrer und Schuldirektor. Der eine in Auschwitz, der andere ganz in der Nähe, in Kattowitz. Und dann der Bruch: Diese beide klugen Leute – und da wird es eine ganz vertrackte deutsche Geschichte – engagieren sich in der zweiten Hälfte ihres Lebens ganz bewusst für die DDR. So etwas kommt in der bundesdeutschen Geschichtsbetrachtung, jedenfalls in deren überwältigender Mehrheit, nicht vor. Oder höchstens so: Kein Wunder, sie dienten zwei Diktaturen. Wer wie ich versucht, all das familiengeschichtlich zu fassen, kommt auf all das Unabgegoltene, Unverarbeitete solcher Lebenswege nach 1945.

Wer vom Faschismus redet …

… darf vom Kapitalismus nicht schweigen. Es wird im dritten Band eine lange Beschäftigung mit dem Aufsatz von Max Horkheimer »Die Juden und Europa« vom September 1939, in dem dieser Satz enthalten ist, geben. Horkheimer schildert so treffend, so scharf, wie der Faschismus aus dem Kapitalismus erwächst, aus der Weimarer Republik, dass es atemberaubend ist. Und die Lehre vermittelt: So etwas wie die AfD geht nicht einfach wieder weg durch diese oder jene Aktion. Weil die Ursachen für das, was diese Partei zum Ausdruck bringt, viel tiefer liegen. Zu diesen Ursachen gab es in der DDR und auch in der alten Bundesrepu­blik bis 1989 ausgezeichnete Forschungen, aber nach dem Anschluss wurde das alles, zumal wenn es sich um Marxisten handelte, verdrängt.

Die Dinge bedürfen größter Aufmerksamkeit. Da hat der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland diesen »Vogelschiss«-Satz über den Faschismus – er sagte »Nationalsozialismus« – geäußert und wurde dafür völlig zu Recht hart angegangen. Aber: Als Angela Merkel 2016 auf dem Festakt »100 Jahre Chemie in Leuna« die Festrede hielt, sagte sie kein einziges Mal »Auschwitz« oder »IG Farben«. Obwohl da gerade die Debatte um den Straßennamen in vollem Gange war. Sie erzählte die Chemiegeschichte als einzige Erfolgsgeschichte; einziger Nichterfolg war die Chemie in der DDR. Und dann sprach sie zwar einmal bedauernd von Zwangsarbeitern in Leuna, aber zugleich hob sie hervor, dass sogar mitten im Zweiten Weltkrieg, als die Deutschen schon unter den Bombardierungen litten, die Tensidforschung in Leuna noch Weltspitze darstellte. Das freilich war eine wiederkehrende Erfahrung: dass sich in der Chemie gerade in Kriegszeiten ein zähes Forschertum entwickelt. Fritz Haber, Nobelpreisträger 1918 für das Verfahren, Stickstoff aus der Luft zu gewinnen und damit die Düngemittelproduktion zu revolutionieren, hatte im Ersten Weltkrieg Giftgas als Massenvernichtungsmittel erforscht und dessen Verwendung an der Front persönlich überwacht. Was für eine Janusköpfigkeit. Das betrifft auch das riesige Chemiewerk der IG Farben in Auschwitz-Monowitz. Bei dessen Errichtung – es ist nie fertig geworden – waren einige tausend Deutsche überwiegend als Führungskräfte tätig. Das bedeutet: Sie haben dort, wo 20.000 KZ-Häftlinge durch Zwangsarbeit ermordet wurden, Technologien entwickelt, die sie in die Nachkriegszeit mitgenommen haben.

Im Roman trifft Jakob eine Frau seines Alters, die sich durch ihn ermutigt fühlt, auch von ihrem Großvater zu erzählen. Der war KZ-Häftling gewesen, unmittelbar nach der Befreiung mussten ihm beide Beine wegen schwerer Zuckerkrankheit amputiert werden. Sie kannte ihn nur als Kranken und besuchte ihn ungern, weil es in seinem Zimmer stank. Da wird Jakob der riesige Unterschied klar: Seine Großväter waren gesund und immer da, lebten gut, hatten viele Bücher, viel Wissen. Er hatte sich über diese schreienden Unterschiede nie größere Gedanken gemacht, aber diese Frau auch nicht. Er jedenfalls ist Enkel zweier Nazis, die dann zu Miterbauern der DDR wurden.

Was hat diese Einsicht bei Ihnen ausgelöst?

In dieser Klarheit: einen Schock. Mit der IG Farben hatte ich schon – und Jakob folgt mir darin – in meiner Habilitationsschrift über die China-Politik des faschistischen Deutschland zu tun. Da geht es vor allem um die Expansionspläne der IG und deren Fernoststrategie. Die deutsche Chemie- und Elektroindustrie, vor allem IG Farben und Siemens, waren die treibenden Kräfte für die Allianz Deutschlands mit Japan. Die klassischen Branchen wie Kohle und Stahl traten für einen konservativeren Weg der Kriegsvorbereitung ein. Hitler verbündete sich mit den – wie der Historiker Kurt Gossweiler sie genannt hat – »Eldorado-Industrien«. Die sagten: Jetzt schlagt einfach zu, den Blitzkrieg gewinnen wir. Das verlangte ein Bündnis mit Japan, das die zweite Front gegen die Sowjetunion aufmachen sollte, und generell das Festsetzen auf dem Markt in Fernost. Darum konnte man bei der IG und deren außenpolitischer Abteilung auf die gründlichsten Analysen über die Verhältnisse in China in den dreißiger Jahren treffen. Die IG war überall im Land vertreten und hatte eine Strategie für den Absatz von synthetischem Dünger und Textilfarbstoffen. Sie wollte diesen Markt erobern. In den Akten gibt es hervorragende Lage- und Reiseberichte, die als Quelle auch chinesischer Geschichte noch lange nicht erschlossen sind.

Das war meine erste Begegnung mit der IG. Aber ihre Dimension als Kriegsverbrecherkonzern war mir da noch nicht klar. Dabei hatte sie das Konzentrationslager Monowitz in Auschwitz selbst errichtet. Sie hat die SS damit beauftragt, es für den Konzern zu verwalten, und sie dafür kritisiert, dass sie nicht scharf genug mit den Häftlingen umgeht.

In meinem Roman geht es immer wieder darum, wie umfassend all dies in Ost und West beschwiegen wurde. Dass es auch anders ging, zeigt die Militärgeschichte: Als die Bundeswehr gegründet wurde, legte die DDR die Nazi- und Wehrmachtsvergangenheit von deren Offi­zieren offen, und bei der Gründung der NVA tat die BRD das gleiche. In der Chemie indessen hat man sich nicht miteinander angelegt. Irgendwie war man sich einig: Nach einem solchen Krieg werden Leute benötigt, die den Wiederaufbau sichern können.

Hat die Rote Armee das in ihrer Zone als Besatzungsmacht so gehandhabt?

Zweifellos. Der entscheidende Punkt für Hartenstein war: Er fährt durch die Kreisstadt und sieht die Stalin-Losung »Die Hitler kommen und gehen, aber das deutsche Volk bleibt«. Das fand er überzeugend. Zumal er fließend russisch sprach und keine Russenfeindschaft in sich trug.

Die USA haben im Westen faktisch die Rekonstruktion der IG Farben zugelassen.

Allein der Bayer-Konzern ist heute größer, als die IG Farben je war, und er ist exakt auf den Gebieten vorn, die die IG immer beherrschen wollte: Düngemittel und Farben. Da gibt es eine große Kontinuität.

Im ersten Band spielt die Herkunft Hermann Hartensteins aus dem lettischen Teil des Baltikums – dem heutigen Lettland – eine große Rolle, u. a. seine Teilnahme an den Kämpfen der Baltischen Landeswehr. Ist das eine weitere Linie, die zum Faschismus führt?

Ja, weil die Landeswehr zu den Freikorpsverbänden gehörte, die dann in Deutschland eine so große Rolle spielten. Da war Hartenstein jedoch nicht mehr dabei. Das letzte Kapitel des dritten Bandes wird »Riga« heißen und an die Schauplätze des Anfangs zurückkehren. Hier auf meinem Schreibtisch liegen die Baltischen Briefe vom Juni 2019, in denen es, wie es heißt, um den 100. Jahrestag der Befreiung Rigas von den Bolschewisten geht. An diesen Kämpfen hat Hartenstein teilgenommen. Sie werden in dem Artikel von 2019 genauso beschrieben, wie sie 1929 und 1939 beschrieben worden sind. In diesen Kreisen ist man heute froh, dass Lettland endlich wieder die ihm schon damals zugedachte Rolle gegen die Russen spielt. Im Roman ist Jakob der festen Überzeugung, dass sich sein Großvater diesen Denkweisen niemals angeschlossen hätte. Er arbeitete von 1945 bis zu seinem Tode eng mit sowjetischen Kollegen zusammen.

Es ist die alte Geschichte: Du gerätst in bestimmte Produktions- und Eigentumsverhältnisse, in denen es sich entscheidet – und du dich zu entscheiden hast –, welche deiner Anlagen besonders gebraucht und wie sie entwickelt werden. Wie sagt es Marx in seiner sechsten Feuerbachthese: Das menschliche Wesen ist in seiner Wirklichkeit das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse. Wenn die Grundforderung in einem sozialistischen Betrieb ist, nicht nach Profit zu streben, entwickeln sich andere Eigenschaften als in einem Betrieb im Faschismus. Und sie werden anders genutzt. Hermann Hartenstein war nie auf persönlichen Reichtum aus. Er lebte immer ziemlich spartanisch, wohnte auch auf der Baustelle in Auschwitz in Baracken und schlief im Büro. Alles galt der Arbeit, und das hieß unter diesen Bedingungen: einer verbrecherischen Industrie. Später hat er sich für die DDR entschieden und ist dort geblieben, obwohl die Grenze lange offen war und für Leute der IG im Westen Stellen und Vergünstigungen bereitgehalten wurden. Er hat – denke ich – sein DDR-Leben gegen sein Nazizeitleben gesetzt. Es war ein Weg, mit dem sich auseinanderzusetzen für mich immer wichtiger wird.