Adolphi 2024. Wie Mao in deutsche Köpfe kam (X-XII)
Wie Mao in deutsche Köpfe kam
von Wolfram Adolphi
X
in: Das Blättchen, Nr. 25, 4. Dezember 2023, S. 6-7
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Am 7. Juli 1937 nahm die japanische Militärführung das später als „Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke“ („Lugouqiao-Zwischenfall“) in die Geschichte eingegangene Feuergefecht zwischen chinesischen und japanischen Soldaten zum Anlass, ihr bisher schrittweises Vordringen auf chinesisches Territorium – die Lugouqiao liegt im Südwesten von Beijing, also schon weit im chinesischen Inneren! – in eine umfassende, auf breiter Front vorgetragene Aggression umzuwandeln.
Der propagandistische Boden für die Unterstützung Japans durch das verbündete Deutschland war mit dem antikominternpakt-gemäßen Zweifel an der antikommunistischen Stabilität der von Jiang Jieshi geführten chinesischen Regierung bestens bereitet. „Der Kampf um China und gegen den Bolschewismus im Fernen Osten“ – so ließ es das 1936 im Nibelungen-Verlag Berlin-Leipzig erschienene großformatige Machwerk Der Weltbolschewismus, „Herausgegeben von der Anti-Komintern“, wissen – sei „ein Kampf von weltpolitischen Ausmaßen und einer wahrhaft geschichtlichen Bedeutung“. „Der Bolschewismus“ müsse als „Todfeind der chinesischen Welt- und Lebensauffassung […] mit Stumpf und Stiel ausgerottet“, „der Marxismus“, der „die Materie über Geist und Seele stellt“ und „den Klassenkampf predigt, […] auf Leben und Tod bekämpft“ werden. Jedoch ganz „unklar“ sei, ob die chinesische Staatsführung „wirklich stark genug“ wäre für all dies und den Sieg erringen könnte über die Kommunisten, als deren Führer im Buch „Mau-She-Tung [Mao Zedong], der“ – die zielbewusste Lüge ist fest etabliert! – „in der Sowjetunion und Deutschland studiert hat“, sowie der „Oberbefehlshaber der Roten Armee Chu-Te [Zhu De]“ namhaft gemacht wurden.
In der Presse lancierte der schon im Teil VIII dieser Serie zitierte Baron Ernst v. Ungern-Sternberg am 7. April 1937 im Führer. Hauptorgan der NSDAP Gau Baden in einem Text über „Chinesisch-Ostturkestan“ – „unter dem Namen Sinkiang [Xinjiang] als das älteste Kolonialland Chinas bekannt“ – eine scharfe Attacke auf die „Sowjetrussen“, für die in eben dieser Region „das offene Tor zum Herzen Innerasiens“ liege – mithin der Ort, von dem aus „die Verbindung zur chinesischen Sowjetregierung und zum bolschewistischen Räubernest Jui-Kin [Ruijin] hergestellt“ werde, wo „General Mao, ein etwa 36jähriger Zögling der Moskauer Propagandaschule“ und „besonderer Schützling Stalins“, ganz „im Sinne Moskaus“ die Herrschaft inne habe. – Die Lüge als Prinzip. Ruijin ein „Räubernest“? Mitnichten. Ruijin 1937? 1934 hatten die Kommunisten ihr Sowjetgebiet in der Provinz Jiangxi mit Ruijin als Hauptstadt geräumt und den Langen Marsch angetreten. Mao ein „Zögling der Moskauer Propagandaschule“ und „besonderer Schützling Stalins“? Nie und nimmer. Aber der Lügner v. Ungern-Sternberg dem Führer zufolge ein Mann, der seine Beiträge „aus einer genauen Kenntnis des Landes“ und „eigener Anschauung“ verfasse.
Weshalb er am 11. August 1937 – da tobte die japanische Aggression bereits seit über einem Monat – im gleichen Führer unter der Überschrift „Der Bolschewismus in China“ nachlegen durfte (interessanterweise jetzt ohne den „Baron“ und das kleine „v.“). „Von den ersten Wochen an“, schrieb Ungern-Sternberg diesmal, „nachdem die Bolschewiken die rote Fahne auf den Zinnen des Kreml gehißt hatten“, habe „Lenin den Plan gefaßt, das kommunistische Evangelium nach Asien zu tragen“. „Mit eiserner Energie“ sei der „Sieg des Bolschewismus im Land des silbernen Drachens“ vorbereitet und, da sich „unter der Parole des Fremdenhasses, namentlich des Japanhasses, die Massen am leichtesten aufhetzen ließen“, dieser „künstlich geschürt“ worden. „Tschiangkaischek [Jiang Jieshi]“ sei es zwar „in schweren Kämpfen gelungen, die roten Armeen zu schlagen“, die aber hätten im „Räubernest Jui-Kim [Ruijin] im Innern Chinas“ – da ist es wieder, das „Räubernest“, und wieder mit falscher Verortung! – „eine kommunistische Republik gegründet“ mit „Mao-tse-Tung [Mao Zedong]“ als „Chef dieses Staates“. Am 26. September 1936 nun habe gar „der Steuermann der Weltrevolution, Dimitroff“, einen „Ukas an die kommunistischen Formationen in China“ gerichtet, eine „Volksfrontregierung ins Leben zu rufen, deren erste Pflicht die ‚Befreiung von der japanischen Militärclique‘ sein müßte.“
Am 25. August 1937 schlossen die Sowjetunion und China einen Nichtangriffspakt. Die Sächsische Volkszeitung nahm dies am 31. August 1937 zum Anlass für einen Rückblick dergestalt,
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dass die Jahre seit 1927 – dem Jahr, in dem Jiang Jieshi die Revolution blutig beendet und seine sowjetischen Berater ausgewiesen hatte – „ausgefüllt“ gewesen seien „mit blutigen Kämpfen der Nankinger [Nanjinger] Regierungstruppen gegen die roten Generäle und Provinzgouverneure, die in Yünnan [Yunnan], Schansi [Shanxi], Schensi [Shaanxi] und vielen anderen Gegenden sogenannte Arbeiterrepubliken errichtet“ hätten. Von „Blut und Tränen“ sei der „Weg der roten Horden“ gekennzeichnet, und „Namen wie Mao-Tse-tung [Mao Zedong] und Li Tsu-tan [?]“ seien „in ganz China berüchtigt geworden“. Dass es nun dennoch zu einer Zusammenarbeit zwischen der Guomindang und den Kommunisten komme, zeige, dass viele „vaterlandstreue Chinesen“ es für „ausgeschlossen“ hielten, dass „der Kommunismus jemals das Land des Konfuzius erobern könne“, und daher meinten, „man könne sich getrost der kommunistischen Bundesgenossen für den antijapanischen Kampf bedienen“. Es sei „im Vertrauen auf die innere Gesundheit und Immunität seines Volkes“, dass „Tschiangkaischek [Jiang Jieshi] […] alles auf eine Karte“ setze.
Womit dieser jedoch – meinte am 18. September 1937 wiederum der Führer. Hauptorgan der NSDAP Gau Baden – der „Bolschewisierung Chinas […] „den Weg freigegeben“ hätte. „Tschu De [Zhu De] und mit ihm ein anderer kommunistischer General, Mao-Tse-Tung [Mao Zedong]“, hätten ihm schon am 8. Juni „ein Telegramm gesandt, in dem sie sich bereit erklärten, gemeinsam mit den Regierungstruppen gegen Japan zu kämpfen“; Zhu De befinde sich „mit einem Bandenheer von 52.000 Mann“ bereits „auf dem Marsche zur nordchinesischen Front“.
Wird fortgesetzt.
XI
in: Das Blättchen, 26. Jg., Nr. 26, 18. Dezember 2023
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Im Herbst 1937 drangen die japanischen Truppen rasch ins Innere Chinas vor. Auf energischen Widerstand stießen sie nur in der von August bis November andauernden Schlacht um Shanghai, bei der auf chinesischer Seite Eliteeinheiten der Guomindang standen, die noch von deutschen Militärberatern ausgebildet worden waren. Die Guomindangregierung unter Jiang Jieshi floh am 30. November 1937 aus der Hauptstadt Nanjing den Yangzi-Fluss stromauf ins 500 km entfernte Hankou und nach dessen Fall im Oktober 1938 weitere 900 Kilometer stromauf nach Chongqing. In Nanjing verübten die japanischen Truppen nach Einnahme der Stadt am 12. Dezember 1937 ein sechs Wochen andauerndes Massaker, in dessen Verlauf sie mehr als 250.000 Zivilisten und bereits gefangengenommene Soldaten hinschlachteten und zehntausende Frauen vergewaltigten.
Die faschistische deutsche Regierung unternahm in diesen Wochen einen Vermittlungsversuch. Strategisch um Japans Kampfkraft fürchtend, die sie auf einen Krieg gegen die Sowjetunion zu richten hoffte, versuchte sie, die Guomindangregierung zur Annahme japanischer Friedensbedingungen zu bewegen, die ganz im Sinne des Antikominternpaktes auf einen gemeinsamen Kampf gegen die chinesischen Kommunisten hinausliefen. Der Versuch scheiterte. Die Gongchandang war aus dem Gesamtgefüge der chinesischen Gesellschaft und Politik nicht mehr auszuschließen.
Das hatte sie auch auf dem Schlachtfeld unter Beweis gestellt: Am 23. September 1937 errang sie mit der zu ihrer 8. Marscharmee gehörenden 115. Division unter dem Befehl von General Lin Biao am Pingxing-Pass in der Provinz Shanxi (knapp 300 Kilometer westlich von Beijing) einen zwar militärisch nicht nachhaltigen, psychologisch aber bedeutsamen Sieg über den japanischen Gegner. Die Dresdner Neuesten Nachrichten wie auch die Neue Mannheimer Zeitung vermittelten von diesen Vorgängen eine gewisse Grundahnung. Man halte in China – so berichteten sie am 13. bzw. 14. September 1937 in einer wortgleichen Meldung – „neue Kämpfe im nördlichen Schansi [Shanxi] für unmittelbar bevorstehend“. Die „Chinesische Rote Armee unter den Generalen Mao-Tse-tung [Mao Zedong] und Tschu-peit-teh [Zhu De]“ sei „nach den letzten Meldungen“ bis „Potau“ [?] vorgerückt, und sobald die Japaner mit der Stadt „Tatung [Datong]“ ihr „nächstes Offensivziel in diesem Frontabschnitt“ erreicht hätten, sehe man „dem ersten Zusammentreffen der chinesischen Kommunisten mit der regulären japanischen Armee […] mit großer Spannung entgegen“. Das war es wohl, worum es sich dann beim Kampf um den Pingxing-Pass, 100 Kilometert südlich von Datong gelegen, tatsächlich handelte.
Mit genauer Information hatte das nichts zu tun. Nicht nur waren die Ortsangaben vage; auch die Teilnahme von Mao Zedong und Zhu De an den Kämpfen entsprang wohl journalistischer Fantasie. Aber so war es nun „eingebürgert“: Diese beiden Namen standen fürs kommunistische Ganze. Und immerhin wurde deutlich, dass dieses Ganze sich den Japanern entschlossen entgegenstellte.
Gründliche Analyse statt oberflächlicher Nachrichten bot einmal mehr die antifaschistische deutsche Exilpresse. Am 4. Februar 1938 gab ein Autor (eine Autorin?) mit dem schönen Pseudonym Wai Guo-jen ([Waiguoren] ist das chinesische Wort für Ausländer/Ausländerin) in der Sozialistischen Warte des Internationalen sozialistischen Kampfbundes (ISK) einen Überblick über „Chinas Widerstand“. Darin hieß es zunächst, dass es „einen eklatanteren Zusammenbruch“ als den Chinas scheinbar „gar nicht geben“ könne und folglich „die bedingungslose Annahme der japanischen Forderungen (eine de facto Verwandlung Chinas in ein japanisches Protektorat) […] unvermeidlich“ scheine. Darum auch hätten Großbritannien und Deutschland Vermittlungsversuche unternommen. Jedoch wäre jede „Vermittlerrolle […] unmöglich, wenn das Kuomintang-[Guomindang-]China, mit dem solche Geschäfte zu machen sind, unterginge und an seiner Stelle ein revolutionäres China entstünde.“ Genau dies aber sei es, „wovor die Defaitisten Chinas und ihre imperialistischen Rückenstärker am meisten Angst haben.“
Die „Rolle der kommunistischen Führer Mao Tse-tung [Mao Zedong], Chou En-lai [Zhou Enlai], Chu Teh [Zhu De] u.a.“ betreffend gebe es – so Wai Guo-jen weiter – allerdings einander widersprechende Meldungen. Die einen sprächen von größerer Nähe zu Jiang Jieshi, die anderen eher von „Entfremdung“. „Festzustehen“ scheine jedoch, „dass die kommunistischen
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Armeeführer mit der Verteidigung des nordwestlichen Frontsektors betraut sind“, und das habe „wohl auch kaum anders möglich“ sein können, „denn die kommunistischen Truppen (die jetzige 8. Armee)“ seien „die einzigen“ gewesen, „die dem japanischen Einfall in Shansi [Shanxi] Widerstand geleistet“ hätten. Was die Strategie und Taktik der „kommunistischen Führer“ anging, so sei „bekannt“, dass sie „den endgültigen Erfolg des Krieges in der Anwendung einer konsequenten und auf lange Sicht hin berechneten Guerillataktik sehen“ – und „in der Tat“ sei dies wohl „die einzige Methode, mit der das technisch überlegene japanische Heer zur Erschöpfung gebracht werden könnte.“
Ein „Erfordernis dieser Taktik“ bestünde freilich in der „Bewaffnung der Bauernbevölkerung“ und der „Durchführung einer Massenpropaganda mit dem Ziel der Beteiligung Aller an einem revolutionären Freiheitskrieg“. Dies aber rufe bei Jiang Jieshi und den Seinen „begreiflichen Argwohn“ hervor, und so werde wohl „das unter direktem kommunistischem Kommando stehende Operationsgebiet […] seine eigenen Wege gehen.“ „Gerüchten“ zufolge schließe sich „der Nordwesten (die Provinzen Shensi [Shaanxi] und Kansu [Gansu]) bereits gegen das übrige China ab“, und man könne „annehmen, dass die direkte russische Hilfe dort etwas regere Formen annimmt, als es in anderen Gegenden von China der Fall ist.“
Und dann – so schließt die Passage zu den Kommunisten – gebe es noch eine „Nachricht aus Wuchang, die, wenn sie sich bewahrheiten sollte, Bände spricht“: Es solle dort eine „patriotische Studentendemonstration für Fortführung des Widerstandes“ gegeben haben, die „von der Polizei mit Schüssen auseinandergetrieben worden sei.“
Wird fortgesetzt.
XII
in: Das Blättchen, 27. Jg., Nr. 2, 15. Januar 2024, S. 17-18
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Im Jahre 1938 stoppten die japanischen Truppen ihren Vormarsch in China. Ein weiteres Vordringen schien nicht erforderlich. Die wirtschaftlich entscheidenden Gebiete Chinas waren unterworfen; die Kapitulation der Jiang-Jieshi-Regierung schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein; und es sollten Kräfte gespart werden für die geplante Expansion im Pazifik.
Das riesige chinesische Staatsgebiet war nun mehrfach geteilt. Im Nordosten – in der an die Sowjetunion, die Mongolei und Korea grenzenden Mandschurei – hatte Japan schon 1932 seinen 800.000 Quadratkilometer großen Marionettenstaat Manzhouguo geschaffen, und südlich davon hatten seine Truppen ein bis Shanghai, Nanjing und Wuhan am Yangzi-Fluss reichendes, von Nord nach Süd rund 2500 und von Ost nach West rund 1000 Kilometer messendes Territorium erobert, das man ab dem 30. März 1940 von dem übergelaufenen Guomindangführer Wang Jingwei regieren lassen würde. Da zudem auch die südlich des Yangzi am Gelben Meer gelegenen Hafenstädte Wenzhou, Fuzhou, Xiamen, Shantou und Guangzhou okkupiert und vom unbesetzten Festland abgeschnitten waren, lag der weitaus größte Teil der Rohstoffförderung, der Industrie und des Überseehandels Chinas in japanischer Hand.
Westlich des besetzten Gebietes erstreckte sich das der Jiang-Jieshi-Regierung verbliebene Territorium mit den großen, aber hunderte Kilometer voneinander entfernt an einer Nord-Süd-Eisenbahnlinie liegenden Städten Lanzhou, Chongqing (Regierungssitz) und Kunming und den westlich dieser Linie weitere 2000 Kilometer nach Westen sich erstreckenden dünn besiedelten Gebirgsregionen Tibet, Qinghai und Xinjiang.
Und am Ostrand dieses Gebietes, rund 1000 Kilometer in südwestlicher Richtung vom besetzten Beijing (damals: Beiping) entfernt, lag mit einer Ausdehnung von rund 300 mal 300 Kilometern im Grenzgebiet der Provinzen Shaanxi, Gansu und Ningxia das hier schon mehrfach erwähnte, am Ende des Langen Marsches 1935 errichtete Stützpunktgebiet der Gongchandang mit seiner Hauptstadt Yan’an. Dies war der Ort, der Japan die größten Sorgen bereitete, denn von hier aus entwickelte die Gongchandang nicht nur ihre auf dauerhaften Widerstand zielende Einheitsfrontpolitik, sondern auch eine Partisanenbewegung, die bald große Teile des besetzten Gebietes durchdringen sollte.
Die erste genauere Kunde in deutscher Sprache über das Gongchandang-Gebiet kam – wieder einmal – in der Exilpresse und dort – wieder einmal – vom vielbewährten Weltbühne– und Neue Weltbühne-Korrespondenten Asiaticus. Die Pariser Tageszeitung (Quotidien de Paris) brachte am 9. Juni 1938 einen Bericht von ihm, der unter der Überschrift „Chinas Musterprovinz“ stand und mit der Orts- und Zeitangabe „Yennan [Yan’an], Ende Mai“ versehen war.
„Ich sprach mit Mao-Tse-tung [Mao Zedong]“, steht in diesem Artikel, und das ist dann wohl das erste öffentliche deutschsprachige Zeugnis der Begegnung eines Deutschen mit Mao überhaupt. Dass es sie gab, diese Begegnung, hat Asiaticus-Spezialistin Helga Scherner in ihrem Aufsatz „Asiaticus – eine Unperson?“ 2001 im Bochumer „Jahrbuch zur Ostasienforschung“ schon erwähnt. Dort ist aber nur von einem englischsprachigen Hinweis in der Zeitschrift Pacific Affairs die Rede – und nicht vom hier zitierten deutschsprachigen Text. Um einem möglichen Missverständnis aus dem Wege zu gehen: Es ist hier nicht die Rede davon, dass Asiaticus der erste Deutsche bei Mao gewesen wäre. Otto Braun zum Beispiel, ein von der Komintern entsandter Militärberater, arbeitete schon seit 1932 an Maos Seite. Während das aber nach außen geheim gehalten wurde, berichtete Asiaticus öffentlich – und war damit (höchstwahrscheinlich) der erste.
Der Bericht über die „Musterprovinz“ strotzt vor Zuversicht. Alle „Autorität“, schrieb Asiaticus, läge bei der „chinesischen kommunistischen Partei“ und der „achten Roten Armee“. Ihr „Prinzip“ sei „die Einheitsfront“, sei „die Idee, eine geeinte Nation gegen Japan zu stellen, eine geeinte Nation mit allen Waffen, allen Massen, allen Klassen und unter der Führerschaft der Kuomintang und der Kommunisten.“ In den Gesprächen mit Mao – Asiaticus nennt als dessen Funktion interessanterweise nur „Vertrauensmann des Militärkomitees der 8. Armee“ –, weiter mit den (namenlos bleibenden) „Leitern der kommunistischen Partei, der Gewerkschaften und anderer Organisationen“ sowie „mit den Vorständen der Regierungsbüros und vielen
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anderen“, sei immer wieder „die Treue zur Sache der Einheitsfront“ zu spüren gewesen und die Gewissheit, „dass es sich hier nicht um eine Taktik, sondern wirklich um den Sieg über einen nationalen Feind“ handele. Mit „eiserner ideeller Disziplin“ werde versucht, „den Spezialbezirk zu einer uneinnehmbaren Basis im antijapanischen Kampf zu machen“. Und dann noch einmal Mao direkt: „Mao-Tse-Tungs Motto für diese Arbeit lautet: schärfstes und intensivstes Arbeitstempo und entschiedene einheitliche politische Führung.“
Die Aussichten für den Fortbestand des Spezialbezirks, schrieb Asiaticus weiter, seien trotz „nächster Nachbarschaft bereits besetzten Gebiets“ gut. Es gebe „keine unmittelbare Gefahr der Invasion, da die 8. Rote Armee und die Partisanen in [den besetzten Provinzen] Shansi [Shanxi], Hopei [Hebei], Chahar [Chaha’er] in Verbindung mit […] den Truppen der Zentralregierung ständig die feindlichen Streitkräfte belästigen und angreifen, ihre Verbindungen stören und ihnen schwere Verluste beibringen“. „Über die Hälfte“ der Bevölkerung des Spezialbezirks sei „für Verteidigungszwecke militärisch vorbereitet“, so dass „im Fall eines Angriffs […] der Gegner auf eine Art Territorial-Armee von 300.000 Mann stossen [würde], für die die riesigen Gebirgsketten eine ausgezeichnete strategische Position“ böten.
Wird fortgesetzt.