Adolphi 2024: Wie Mao in deutsche Köpfe kam (XVI-XVIII)
Wolfram Adolphi
Wie Mao in deutsche Köpfe kam
XVI
In: Das Blättchen, 27. Jg., Nr. 7 v. 25. März 2024, S. 16-18
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Schwer zu sagen, wer im Herbst des Jahres 1945 im vom Faschismus befreiten, in Besatzungszonen aufgeteilten Deutschland Gelegenheit und Kraft besaß, den Blick auf China zu richten. Hierzulande hatte man den Preis für den auf Weltherrschaftswahnsinn gegründeten Aggressions- und Völkervernichtungskrieg mit vielfachem Leid der eigenen Zivilbevölkerung, zerbombten
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Städten und Industrieanlagen, darniederliegender Landwirtschaft, Hunger und einer tiefen gesellschaftlichen und geistig-kulturellen Krise zu bezahlen.
Aber die Presse machte Angebote. So der neu ins Leben getretene Südkurier. Tagblatt für Bodensee, Schwarzwald und das obere Donaugebiet. Am 8. September 1945 hieß es in seiner Nummer 1 einführend: „Die Leser werden ebenso wie der Verlag und die Redaktion der französischen Militärregierung Dank wissen, daß schon wenige Monate nach der Beendigung des schwersten aller Kriege die Herausgabe einer selbständigen deutschen Presse auch in Baden möglich wurde.“ In eben dieser Ausgabe erschien auch ein Artikel unter der Überschrift „Der russisch-chinesische Vertrag. Eine Klärung der fernöstlichen Probleme“.
Der Beitrag stützte sich auf einen Text der Neuen Zürcher Zeitung und hatte den Sowjetisch-Chinesischen Freundschafts- und Bündnisvertrag vom 14. August 1945 zum Gegenstand. Der war mit der Guomindang-Regierung geschlossen worden, widerspiegelte somit das Interesse Stalins an einer Stabilisierung der Herrschaft Jiang Jieshis. Die vom Südkurier zitierte NZZ traf den Kern, wenn sie meinte, dass „die Stellung der Kommunisten von Jenan [Yan’an]“ damit „als unterhöhlt“ gelten müsse. Das habe sich auch in der „plötzlichen Zusage Mao Tse Tungs [Mao Zedongs], die Einladung Tschiang Kaisheks [Jiang Jieshis] nach Tschungking anzunehmen“ (siehe Teil XV), gezeigt. Dennoch rate der Manchester Guardian Jiang Jieshi „weise Mäßigung gegenüber Jenan“ an. Die Sowjetunion ihrerseits habe „der Freundschaft mit China und den Vereinigten Staaten den Vorzug gegenüber anderen Möglichkeiten gegeben“. „Früheren skeptischen Beobachtern“ zum Trotz habe sie China „weder die Innere Mongolei noch Sinkiang [Xinjiang] […] als Einflußsphären abgefordert“, und „weder die Abmachung über die Kontrolle der mandschurischen [Eisen]Bahnen noch die Regelung in [den Hafenstädten] Port Arthur [Lüshunkou] und Dairen [Dalian]“ bedeuteten „eine grundsätzliche Beeinträchtigung der Ansprüche Chinas“.
Am 6. November 1945 meldete der gleiche Südkurier, dass „Marschall Tschiang-Kai-schek [Jiang Jieshi] und der Kommunistenführer Mao Tse-tung [Mao Zedong] […] ihre fünfwöchigen Verhandlungen durch ein formelles Abkommen [beendigt]“ hätten. Dank „Einsetzung eines innerparteilichen politischen Konsultativrates“ sowie „eines Militärkomitees“ bestehe jetzt „eine wirkliche Hoffnung auf die Einigung Chinas“.
Acht Monate später – am 29. Juni 1946 – erfuhren die Zeitungsleserinnen und -leser, dass die Hoffnungen auf eine „Einigung Chinas“ schwanden. Später wird man bilanzieren, dass in eben diesem Juni 1946 der Bürgerkrieg zwischen der Guomindang und der Gongchandang, der Kommunistischen Partei, begann und sich in dessen erster Phase (Juni 1946-Juni 1947) „die Regierungstruppen auf breiter Front im Vormarsch“ befanden. Die Guomindang verfügte „über eine Streitmacht von 4,3 Millionen Mann, die z. T. mit amerikanischen Waffen ausgerüstet waren, und kontrollierte Gebiete, in denen rd. 70 % der chinesischen Bevölkerung lebten“, die Streitkräfte der Gongchandang hingegen „zählten rund 1,2 Millionen Mann“, „führten größtenteils japanische Beutewaffen“, und „die Bevölkerung der von ihnen beherrschten Stützpunktgebiete umfasste annähernd 30 % der Gesamteinwohnerschaft Chinas“, schreibt Oskar Weggel in seiner „Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert“ (Stuttgart 1989).
Am 29. Juni 1946 also meldete das in Baden-Baden erscheinende Badener Tagblatt, dass „der Vorsitzende des Zentralkomitees der Chinesischen kommunistischen Partei Mao-Tze-Tung [Mao Zedong] […] energisch gegen den kürzlich dem amerikanischen Kongreß vorgelegten Gesetzentwurf“ protestiert habe, „der eine Verstärkung der militärischen Hilfe der Vereinigten Staaten in China vorsieht“. Dieser Schritt werde – so Mao – „vernichtende Auswirkungen auf den Frieden, die Sicherheit und Unabhängigkeit der chinesischen Demokratie“ haben.
Und auch Neues Deutschland in (Ost)-Berlin, zum ersten Mal am 23. April 1946 erschienen, informierte in seiner Nummer 56 am 29. Juni 1946 unter der Überschrift „Mao-Tse-Tung über ‚militärische Hilfe‘“ über diesen Mao-Protest. Gestützt auf eine Meldung der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS aus Nanking [Nanjing] vom 28. Juni wurden die Mao-Äußerungen hier noch detaillierter dargestellt als im Badener Tagblatt. „Die sogenannte militärische Hilfe, die China von den USA erwiesen wird“, so habe Mao ausgeführt, bedeute „faktisch eine bewaffnete Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas“, die „Unterstützung der diktatorischen Zentralregierung“ beschwöre „Bürgerkrieg, Chaos, Spaltung, Terror und Elend“ herauf.
Es war dies die erste Erwähnung Mao Zedongs im Neuen Deutschland überhaupt. Bis zur Gründung der Volksrepublik China am 1. Oktober 1949 sollten nicht viele Nennungen hinzukommen. Stalin misstraute Mao, bevorzugte eine Fortsetzung der Jiang-Herrschaft, und
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selbstverständlich war das auch für die Berichterstattung im ND bestimmend. Aber ob Mao persönlich genannt wurde oder nicht – der Bürgerkrieg nahm seinen Lauf, und das ND informierte darüber am 19. Juli in einer auf France Press gestützten Meldung, in der nicht Mao, sondern „General Shuen Lai [Zhou Enlai]“, der „Führer der Volksbefreiungsarmee“, zitiert wurde. Zhou nannte vier „Hauptkampfgebiete“ – die „Grenzlandschaften der Provinzen Hupeh [Hubei] und Honan [Henan], die Provinz Shantung [Shandong], wo die Regierungstruppen versuchen, die Eisenbahnstrecke von Tsin Tao [Qingdao] in ihrer ganzen Länge zu besetzen, die Provinz Kiang Su [Jiangsu], wo die Regierungstruppen Mitte Juli zum Angriff übergingen, und Shansi, wo die Regierungstruppen den Gelben Fluß überschritten haben“ – und wies die Forderung der Jiang-Regierung, diese von der Volksbefreiungsarmee verwalteten Gebiete wieder unter eigene Herrschaft zu stellen, als „unannehmbar“ zurück. Das – selbstredend – war auch Maos Position.
XVII
in: Das Blättchen, 27. Jg., Nr. 10 v. 6. Mai 2024, S. 18-20
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Wie schon in der Zeit der nazi-faschistischen Herrschaft, so waren auch in den ersten Jahren danach in Sachen China- und Mao-Information die Deutschen, die im Exil lebten, ihren Landsleuten in Deutschland gegenüber klar im Vorteil. So veröffentlichte das in Buenos Aires erscheinende „Organ der demokratischen Deutschen in Südamerika“ La Otra Alemania. Das andere Deutschland in Nummer 129 am 1. November 1946 unter dem Titel „Konterrevolution in China“ einen aus der linksliberalen US-amerikanischen Zeitschrift The Nation übersetzten Artikel von Hugh Dean, in dem die Politik der Guomindang und der mit ihr verbündeten USA einer vernichtenden Kritik unterzogen wurde.
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„Die Vereinigten Staaten“, so war zu lesen, „intervenieren in China zu dem gleichen Zweck, zu dem sie in Spanien [1936-39 – W.A.] nicht intervenierten: zur Erdrosselung der Revolution.“ Der überall als „Bürgerkrieg“ beschriebene Konflikt sei „in Wahrheit eine Konterrevolution, […] unternommen, weil die reaktionären Gruppen der Kuomintang [Guomindang], mit denen Chiang Kai-shek [Jiang Jieshi] identisch ist, begreifen, dass für sie ein wirklicher Ausgleich mit den Kommunisten und Liberalen nicht in Frage kommt, denn ein solcher würde ihr politisches Monopol zerstören.“ Und so handelten sie also „wie die Emigranten im Jahre 1792, wie die Südstaaten 1861, wie die zaristischen und spanischen Offiziere 1918 und 1936“: Sie spielten als „Verteidiger des status quo ihre traditionelle Trumpfkarte ‚Krieg‘ aus“.
Die scharfe Sprache war auf ein klares Lagebild gestützt. „Während des achtjährigen Kampfes gegen die Japaner“ habe in China eine „Machtverschiebung“ stattgefunden, „die nur mit Waffengewalt umgestoßen werden kann“. Die „kommunistisch geleitete Agrarbewegung“ habe sich „über ein Drittel Chinas“ ausgebreitet; die „neue Macht“ sei „in der langen, qualvollen Geschichte der chinesischen Revolution“ zur „größten Herausforderung für den halbfeudalen status quo“ geworden. Die Guomindang reagiere darauf in ihrem Herrschaftsgebiet „mit allen vertrauten Instrumenten des Zwangs und des Terrors“, dulde „nicht einmal eine liberale Opposition“, habe mit der „Einführung der Zensur nach faschistischem Muster […] fast die gesamte liberale Presse und viele liberale Stimmen […] zum Schweigen gebracht“, und dort, wo sie ihre Macht an „die kommunistischen Kräfte“ verloren habe, versuche sie, deren „Schlüsselstellungen“ mit „großen Abteilungen“ ihrer Truppen „zu umzingeln, zu blockieren, zu vernichten“. Im Ergebnis all dessen stünden „die Kommunisten und Liberalen“ nun allerdings „fest geeinigt“ zusammen.
Aus diesem „fest geeinigt“ schloss der Autor, dass „der Kommunismus kein unmittelbares Problem in China“ sei – und zwar „nicht nur deswegen, weil die Kommunisten gewillt sind, zeitweilige Konzessionen zu machen, um die Unterstützung der Liberalen zu gewinnen, sondern auch wegen des primitiven, halbfeudalen Charakters der chinesischen Wirtschaft.“ Dennoch würden die USA – da könne Jiang ganz sicher sein – „keine Revolution in China dulden“, und zwar „nicht einmal jene Art“, wie sie „in Mao Tse-tungs [Mao Zedongs] ‚Neue Demokratie‘ gefordert“ werde. Denn – so sei in der New York Times neuerlich nachzulesen –: „Hauptstreitpunkt in China“ sei „der Sowjetimperialismus“. Der erfordere eine „‘feste Haltung‘ seitens Amerikas, d. h. fortlaufende Intervention“.
Allerdings seien – so Hugh Dean weiter – die chinesischen Kommunisten sehr stark. Es stünde ihren Armeen jetzt „die Weite Chinas zur Verfügung, in der sie ihre besondere Art beweglicher Kriegführung ausüben können“. Sie seien „in einer vielleicht entscheidend großen Anzahl von Dörfern verschanzt“ und hätten „gut gewährte ökonomische und militärische Einrichtungen, durch die sie die traditionelle Schwäche der Bauernrebellion überwinden“ könnten – und zwar mit einer „Dynamik der revolutionären Kraft, die oft in unglaublich kurzer Zeit geschaffen wird und durch die Armeen in zwei Wochen aus der Erde gestampft werden.“
In der gleichen Nr. 129 referierte La Otra Alemania einen Text der herausragenden Chinakennerin Agnes Smedley, der gleichfalls zuvor in The Nation erschienen war. Smedley habe dort die Auffassung vertreten, dass „zwischen dem amerikanischen Monopolkapitalismus und den hohen Offizieren Übereinstimmung darüber [herrsche], dass ein Krieg mit der Sowjetunion unvermeidlich sei, und dass man deshalb vorher die chinesischen Kommunisten erledigen müsse“.
Smedley kam auch in Nr. 134 am 15. Januar 1947 wieder zu Wort. Die Agenturmeldungen aufgreifend, wonach am 30. Dezember 1946 die chinesischen Kommunisten beschlossen hatten, in Opposition zur Zentralregierung in Nanjing eine selbstständige Regierung zu bilden, brachte das Blatt in Auszügen aus ihrem Buch „China in Waffen“ Porträts der „Drei Großen“ Mao TseTung [Mao Zedong], Chu Teh [Zhu De] und Chou En-Lai [Zhou Enlai]. Zu Mao hieß es: „Alle anderen kommunistischen Führer konnte man mit jemandem aus einem anderen Volk oder einer anderen Zeit vergleichen, nicht aber Mao Tze-Tung [sic]. Die Leute versicherten, das käme davon, dass er reiner Chinese sei und niemals im Ausland gelebt oder studiert habe. Die Mehrzahl der chinesischen Kommunisten dachten in den Begriffen von Marx, Engels, Lenin und Stalin, und manche waren stolz, ihre Schriften auswendig zitieren und drei- oder vierstündige Vorträge über sie halten zu können. Mao konnte das auch, aber er wollte es nur selten. Seine wissenschaftlichen und seine populären Vorträge wie seine Unterhaltung gründete sich auf Leben und Geschichte Chinas. Hunderte von Studenten, die nach Yennan [Yan’an] kamen, waren gewohnt, ihre geistige Haltung nur von der Sowjetunion zu erhalten und von einigen deutschen und
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anderen Schriftstellern. Mao hingegen redete zu ihnen über ihr eigenes Land und ihr eigenes Volk, seine Geschichte und seine Literatur. Er zitierte aus chinesischen Dichtungen, kannte die alten Dichter und war selbst ein Dichter. Seine Dichtung hatte die Qualität der alten Meister, aber sie war durchflutet von einer modernen Klarheit des sozialen und persönlichen Denkens.“
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In: Das Blättchen, 27. Jg., Nr. 11 v. 20. Mai 2024, S. 13-14
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Im Verlauf des Jahres 1947 gewannen die Gongchandang (die Kommunistische Partei Chinas) und ihre Volksbefreiungsarmee im Kampf mit den Truppen der Guomindang-Regierung so stark an Boden, dass sich auch die deutsche – genauer gesagt: die westdeutsche – Presse zu ausführlicheren Darstellungen veranlasst sah. Die ostdeutsche blieb wegen der in Teil XVI dieser Serie bereits genannten Jiang-Jieshi-freundlichen Positionen Stalins zurückhaltend.
Die westdeutsche Presse also meldete sich zu Wort, und sogleich kam die geopolitische Dimension der Ereignisse ins Spiel. Am 5. März 1946 hatte der britische Expremier und seinerzeitige Oppositionsführer Winston Churchill in Fulton (USA) mit der Rede vom „Eisernen Vorhang“ zwischen West und Ost eine neue Blockkonfrontation beschworen. Die USA waren mit einer fundamental antikommunistischen Außen-, Militär- und Innenpolitik zügig an deren Ausgestaltung gegangen, und die Badischen Neuesten Nachrichten hatten den Finger auf der Wunde, als sie am 11. November 1947 mit der Übernahme eines Textes der Nachrichtenagentur Reuters über China berichteten, dass dort „ein Riesenbürgerkrieg“ tobe, „der, was Zahlen anbetrifft, jeden anderen Bruderstreit in der Geschichte zwerghaft erscheinen lässt“, und dass es dabei nicht allein um China gehe, sondern „von dem Ausgang dieses Kampfes“ auch „der zukünftige Frieden des Ostens und der ganzen Welt“ abhänge.
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Über die Kriegsparteien wusste die Zeitung das Folgende zu berichten: 2,5 bis 5 Millionen Mann zählten die Kampfeinheiten der Guomindang, kommandiert würden sie von „Armee-Kliquen“ der „Whampoa-[Huangpu]-Kadetten“ unter den Generälen Ho Ving-chin [He Yingqin], Pai Chung-hsi [Bai Chongxi], Li Tsung-jen [Li Zongren] und Chen Cheng [Chen Cheng]. Ihnen gegenüber stünden 1,3 bis 2 Millionen Mann der Kommunisten. Was deren Generäle angeht, so würden „die Japaner“ wohl „mit Freuden einige Abteilungen von Sturmtruppen geopfert haben, um dafür einen solchen narbenbedeckten roten Kommandeur wie Lin Piao [Lin Biao], Nieh Yung-chin [Nie Rongzhen] oder Yeh Chien-ying [Ye Jianying] einzutauschen.“ Die „kommunistische Strategie“ werde bestimmt durch Mao Tsetung [Mao Zedong], einen „zottelhaarigen Schüler von Marx“, und Chu Teh [Zhu De], der in seinem Aussehen eher einem „wohlwollenden alter Kuhhirten“ gleiche als einem „kommunistischen Generalissimus“. Beide seien „gewöhnt, ihre […] Partisanen in derselben Art von Kriegführung zu benutzen, wie Tito seinen jugoslawischen Guerilla-Kämpfern [sic] lehrte.“
In der Bewertung der Ereignisse ließ der ungenannt bleibende Autor interessanterweise nur Mao – und keinen Guomindang-Politiker – zu Wort kommen. Wenn man – so habe Mao ihm, dem Autor, in einem Interview in Yenan [Yan’an] erklärt – davon ausgehe, „daß die große Hilfsaktion der Vereinigten Staaten Chiang Kai-shek [Jiang Jieshi] in die Lage versetzt hat, einen Bürgerkrieg in einem bisher noch nicht dagewesenen Ausmaß zu führen“, dann bestehe „die Politik der amerikanischen Regierung darin, Chiang allseitig unter dem Mantel der sogenannten Vermittlung den Rücken zu stärken, die demokratischen Kräfte Chinas zu unterdrücken und so durch Chiangs Schlachthauspolitik China zu ihrer Kolonie zu machen.“ Ein „baldiges Ende“ würden die Kämpfe nur finden, wenn „die amerikanische Regierung ihre Politik der einseitigen Hilfe an Chiang aufgibt“; andernfalls würde sich das Ganze „möglicherweise zu einem längeren Krieg ausweiten“. „Keinen schlüssigen Beweis“ sah der Autor für „irgendeine militärische und materielle Hilfe von Seiten Rußlands an die chinesischen Kommunisten“, und in der Tat würden diese ja auch „jede Beziehung zu Moskau ableugnen“ – trotz des „offenen Geheimnisses“, dass „die Sowjets“ ihnen „einen wesentlichen Teil des großen militärischen Nachschubs überließen, den sie den Japanern im Nordwesten [es muss wohl heißen: Nordosten] weggenommen hatten.“
Ein halbes Jahr später, am 30. April 1948, teilte der in Konstanz erscheinende Südkurier seinen Leserinnen und Lesern in einem mit „Sigurd Paulsen-Hamburg“ gezeichneten Beitrag mit, dass „über den meisten Äußerungen, die aus China zu uns dringen“, eine „seltsame Mutlosigkeit“ liege. Die Welt sehe mit diesem Land „eine der großen Siegermächte in hoffnungsloser Anarchie versinken“. Amerika gebe „ohne viel Hoffnung neue Dollarkredite, um zu verhindern, daß die kommunistischen Armeen Tschiangkaischek [Jiang Jieshi] überrennen, oder um wenigstens den Zeitpunkt dieses Ereignisses hinauszuschieben“. Aber bis wann? „Ostasienkenner“ meinten: „bis zur Teilung des Riesenreichs und bis zur Konsolidierung einer den westlichen Demokratien konformen Ordnung in Südchina“.
Ob es dazu aber jemals komme, sei ungewiss. Es fehle als Grundvoraussetzung eine „ausdrücklich vereinbarte Demarkationslinie zwischen Nord und Süd“, und die „Partisanen“ aus dem Norden gewännen „bis ins Yangtse-[Yangzi-]tal hinunter“ immer weiter an Boden. Zudem habe „der kommunistische Diktator Mao Tzetung [Mao Zedong] nach einer revolutionär-marxistischen Neujahrsrede am Rundfunk seine Tonart geändert“. Um die Zustimmung zu seiner Politik zu vergrößern, habe er „die Kapitalisten des Nordens“ gemahnt, „im Lande zu bleiben“, und „die Arbeiterschaft“ aufgefordert, „‘einen gewissen Grad von Ausbeutung‘ geduldig zu ertragen“.
Der Artikel schloss mit einer erstaunlichen geopolitischen Sentenz. Ein „Verebben“ des „generationenlangen Bürgerkrieges“ wäre – so der Südkurier – „denkbar […] im Rahmen eines Weltabkommens zwischen Amerika und Sowjetrußland, das außer China auch den Vorderen Orient nach dem gegenwärtigen status quo für eine Weile pazifizieren würde.“ – China und Palästina in einem Atemzug. Der Status quo in Nahost war zu diesem Zeitpunkt noch ein Palästina (mit einem von arabischer Seite abgelehnten Teilungsplan der UNO), zwei Wochen später aber ein ganz anderer: Israel erklärte sich am 14. Mai 1948 zum unabhängigen Staat. Es kam zum ersten Palästinakrieg. Und kein „Weltabkommen“ und keine „Pazifizierung“ auch für China. Der Bürgerkrieg dauerte bis zum Herbst 1949.